Das menschliche Immunsystem scheint im Herbst des Jahre 2019 in China zum ersten Mal mit dem neuen Coronavirus konfrontiert worden zu sein. Bis dahin hatte sich dieses Virus nur in Tieren, v.a. Fledermäusen, vermehrt, die interessanteerweise selbst keine Erkrankung entwickeln (ein Phänomen, dessen Abklärung für das Verständnis von COVID-19 beim Menschen sehr wichtig wäre).  Wir können daher – abgesehen von der Ähnlichkeit von SARS und MERS – bei CoVID-19 noch auf keine Langzeiterfahrungen bezüglich einer schützenden Immunreaktion gegen dieses neue Virus zurückgreifen. Mit detaillierten Laboranalysen versuchen wir nun, die Immunantwort gegen SARS-CoV2 besser zu verstehen. Mehr denn je hat es sich bei CoVID-19 nämlich gezeigt, dass die Interpretation der Testergebnisse besondere Vorsicht und immunologische Expertise erfordert.

Wie unter Punkt 2. beschrieben, wird das neue Coronavirus zunächst vom angeborenen Immunsystem angegriffen und in vielen klinisch symptomlosen Fällen wahrscheinlich auch erfolgreich eliminiert. Wenn diese erste, unspezifische Abwehrreaktion die Infektion nicht völlig verhindern konnte, wird das adaptive Immunsystem, und zwar sowohl sein zellulärer als auch der humorale Arm, aktiviert. Zytotoxische T-Zellen in verschiedenen lymphoiden Organen, v.a. in den die Infektionsstellen versorgenden, sogenannten drainierenden Lymphknoten, erkennen die für sie fremden, antigenen Bestandteile des Virus, vermehren sich, wandern über Lymphgefäße und den Blutstrom an den Infektionsort und bewirken dort eine lokale, entzündliche Abwehrreaktion, v.a. in der Lunge, aber auch in anderen Organen, wie Herz oder Verdauungstrakt, die zum Abtöten der Virus – infizierten Zellen führt. Der Nachweis von derartigen, gegen SARS-CoV2 „sensibilisierten“ Tc im Blut kann erst erfolgen, wenn genügend davon vorhanden sind, d.h., sie sich im Rahmen der Abwehrreaktion genügend stark vermehrt haben.  Die Wanderung von Tc zu ihrem Ziel dauert im Allgemeinen 24-48 Stunden, ist also langsamer (aber ebenso effizient) als der schnell wirksame Schutz durch bereits gebildete spezifische Antikörper. Virus-spezifische Tc können mit relativ aufwändigen Methoden in Zellkultur nachgewiesen werden, die immunologischen Speziallabors vorbehalten sind und sich für Routineuntersuchungen an größeren Zahlen von Patienten nicht eignen. Tests auf das Vorhandensein von Tc wären jedenfalls klinisch viel aussagekräftiger als die Bestimmung von Antikörpern, deren Aussagekraft gerade bei respiratorischen viralen Erkrankungen nicht immer zwingend relevant ist. Tc greifen also mit Viren infizierte Zellen direkt an (militärisch: Kampf Mann gegen Mann), während Antikörper weit weg von ihrer Produktionsstelle wirksam sind und das Virus über die Blutzirkulation schon beim Eintritt in den Körper abfangen.

Das adaptive Immunsystem Covid-19, Virus

 

 

 

Abbildung 8

Man könnte – ähnlich wie bei bakteriellen Infektionen, z.B. der Tuberkulose – daran denken einen Hauttest mit nicht infektiösem, für SARS-CoV2 spezifischem – am besten gentechnisch rein hergestelltem – Material zu entwickeln, aber diese Alternative ist derzeit noch nicht spruchreif. Gleichzeitig mit der Entwicklung der wichtigen zellulären Immunität gegen die neuen Coronaviren, beginnen B-Zellen, Antikörper zu produzieren und ins Blut abzugeben. Wie bei anderen Virusinfektionen, z.B. Masern oder Röteln, werden in einer ersten humoralen Immunreaktion auch in diesem Fall zunächst IgM Antikörper gebildet. Nach unserer Erfahrung ist die Konzentration von IgM Antikörpern (der sog. Titer) im Frühstadium (3 – 4 Tage nach Infektion) von CoVID-19 allerdings oft sehr niedrig, manchmal sogar unter der Nachweisgrenze des Testsystems. Im Gegensatz zu anderen Virusinfektionen scheinen aber bei CoVID-19 auch Antikörper der Klasse IgA ein früher Marker (4-5 Tage nach der Infektion) zu sein, gefolgt von IgG-Antikörpern (4-7 Tage nach Infektion mit einem Gipfel nach 14 – 28 Tagen). Nach unseren ersten Erfahrungen gilt dieser Zeitverlauf jedoch nur für jene Personen, die nach kurzer Erkrankung mit milden Symptomen rasch wieder gesund werden, während bei länger bestehenden Krankheitsverläufen verzögerte und nur schwache Anstiege der Antikörperkonzentrationen festzustellen sind.

Labortests für SARS-CoV2

Damit sind wir bei den entscheidenden technischen Kriterien für die Auswahl einer optimalen Kombination von serologischen Tests zur Bestimmung von Antikörpern gegen Viren im allgemeinen und SARS-CoV2 im Besonderen. Die wichtigsten Qualitätsmerkmale solcher Tests sind ihre Empfindlichkeit (Sensitivität) und ihre Genauigkeit (Spezifität). Beide Merkmale stellen sicher, dass alle und ausschließlich PatientInnen mit tatsächlichen erhöhten Antikörpern gegen SARS-CoV2 erkannt werden. In den meisten Labors werden Antikörper gegen das S1 Protein in den Virushülle bestimmt, d.h., jene Komponente, die an ACE2 an der Oberfläche der Zielzelle bindet. Solche Antikörper haben primär auch eine schützende Wirkung, neutralisieren also das in den Körper eingedrungene Virus.

Es sind auch andere Testkits am Markt, die die Bestimmung von Antikörpern erlauben, die gegen die im Inneren von intakten Viren lokalisierten Nukleokapsid (N) – Antigene gerichtet sind. Viren gehen ja im Körper aus verschiedensten Gründen immer zugrunde, und das Immunsystem erkennt daher auch die so freigesetzten, nicht an der Oberfläche vorhandenen Bestandteile, wie die N – Proteine. Antikörper gegen N – Antigene erscheinen besonders rasch und in hoher Konzentration im Blut, signalisieren also eine durchgemachte Infektion. Sie haben aber keine schützende, Virus-neutralisierende Funktion, da alle Antikörper aufgrund ihres hohen Molekulargewichts nicht durch die äußere Proteinhülle in das Innere von intakten Viren eindringen können.

Die Sensitivität der am Markt angebotenen Testkits zur Bestimmung von Antikörpern gegen das S1-Protein ist generell zufriedenstellend. Die Spezifität bereitet derzeit noch Probleme und beträgt bei  IgA Tests etwa 90%; d.h. ca 10% dieser Antikörper reagieren nicht nur mit SARS-CoV2, sondern auch mit anderen, insbesondere den weniger gefährlichen, endemisch vorkommenden Coronaviren. Bei IgM beträgt dieser Wert xx% (?). Selbst IgG-Antikörper gegen S1 sind nicht ganz spezifisch für SARS-CoV2 (99%). Sie zeigen ebenfalls eine sogenannte immunologische Kreuzreaktion mit SARS-CoV1, dem Erreger von SARS. Da aber das SARS-CoV1 Virus in unseren Breiten nicht mehr existiert, kann man IgG-Antikörper gegen SARS-COV2 als operativ 100 prozentig spezifisch ansehen.

Für die in unserem Labor verwendeten Testsysteme wurde auch gezeigt, dass die nachgewiesenen IgG-Antikörper fähig sind, Zielzellen in Zellkultur in sogenannten Neutralisationstests vor einer Infektion mit SARS – CoV2 zu schützen. Wie lange Tc und spezifische Antikörper gegen eine Infektion mit SARS-CoV2 schützen, ist wegen der kurzen Dauer der COVID-19 Pandemie noch nicht bekannt. IgG-Antikörper gegen SARS-CoV1 bieten jedenfalls mindestens 24 Monate Schutz gegen SARS.