In der beiliegenden Tabelle werden jene Labortests präsentiert, die wir in unserem Labor – abhängig von den klinischen Symptomen – bei Verdacht auf Long Covid anbieten (Tab.1). Eine besonders wichtige endokrinologische Untersuchung ist die Bestimmung von Cortisol und Cortisol-Bindungsglobulin (CBG) im Serum, und zwar aus folgendem Grund:

Die Induktion einer Immunreaktion durch Infektionserreger, Impfstoffe oder andere Antigene führt nicht nur zu einen humoralen und zellulären Immunantwort, sondern gleichzeitig auch einer Erhöhung des Cortisolspiegels im Blut. Cortisol ist das wichtigste, immunsuppressive Stresshormon des Menschen. Diese erhöhte Menge an Cortisol ist – neben anderen Faktoren, wie den regulatorischen T-Zellen (Treg) – ein essentielles, physiologisches Mittel, eine Überreaktion des Immunsystems zu verhindern.

Cortisol wird i.R. einer Immunreaktion über eine Feedbackschleife durch sog. Glucocorticoid-increasing-Factors (GIVs), insbesondere Interleukin-1 (IL-1), in Gang gesetzt (Abb.1). Von unserer Arbeitsgruppe konnte vor vielen Jahren in Versuchstierstämmen (Mäusen und Hühnern), die spontane und erblich – also ohne Eingriff des Experimentators – Autoimmunerkrankungen entwickeln – erstmals gezeigt werden, dass diese Rückkoppelung über die Hypothalamus-Hypophysen-Adrenale (HPA) Achse nicht funktioniert: in allen diesen Tiermodellen waren die Glucocorticoidwerte (bei Nagern und Vögeln Corticosteron) erniedrigt, ein Zustand, der zur Überreaktivität des Immunsystems, manifestiert durch die jeweilige Autoimmunerkrankung, wesentlich beigetragen hat (Refs. 1 und 2).

Auch im Fall von Covid-19 beobachtet man im Vergleich zu Gesunden signifikant erniedrigte Serumspiegel von Cortisol, bei Rekonvaleszenten liegen die Werte zwischen diesen beiden Gruppen, bei Patienten mit Long Covid sind sie in vielen Fällen weiterhin erniedrigt (Abb.2, Ref.3). Da es sich bei Long Covid um einen chronischen Entzündungsprozess handelt, dürfte der erniedrigte Cortisolspiegel eine der Ursachen für dieses Phänomen sein.

 

References:

1. Schauenstein, K., Fässler, R., Dietrich, H., Schwarz, S., Krömer, G., & Wick, G. (1987). Disturbed immune-endocrine communication in autoimmune disease. Lack of corticosterone response to immune signals in obese strain chickens with spontaneous autoimmune thyroiditis. Journal of Immunology, 139(6), 1830–1833. https://doi.org/10.4049/jimmunol.139.6.1830

2. Wick, G., Hu, Y., & Gruber, J. (1992). The role of the immunoendocrine interaction via the hypothalamo-pituitary-adrenal axis in autoimmune disease. Trends in Endocrinology & Metabolism, 3(4), 141–146. https://doi.org/10.1016/1043-2760(92)90103-8

3. Klein, J. B., Wood, J. R., Jaycox, J. R., Lu, P., Dhodapkar, R. M., Gehlhausen, J. R., Tabachnikova, A., Tabacof, L., Malik, A. A., Kamath, K., Greene, K., Monteiro, V. V. S., Peña-Hernández, M. A., Mao, T., Bhattacharjee, B., Takahashi, T., Lucas, C., Silva, J. G., McCarthy, D., . . . Iwasaki, A. (2022). Distinguishing features of Long COVID identified through immune profiling. medRxiv (Cold Spring Harbor Laboratory). https://doi.org/10.1101/2022.08.09.22278592