Die Abwehr von Infektionen wird bei Mensch und Tier durch das Immunsystem bewerkstelligt. Die Abwehr-(Immun-)Zellen sind also nicht in einem einzelnen Organ konzentriert, sondern über viele sogenannte lymphoide Gewebe im Körper verteilt (Knochenmark, Milz, Lymphknoten, etc.). Deshalb spricht man von einem System.

Das Immunsystem besteht aus zwei Teilen, dem angeborenen, unspezifischen und dem adaptiven, spezifischen System. Letzteres kann sich den aktuellen Gegebenheiten einer Infektion anpassen, ist also adaptierungsfähig.

2.1. Das angeborene Immunsystem

Das angeborene Immunsystem ist bei Eindringen von unbelebtem oder belebtem Fremdmaterial sofort verfügbar. Es besteht zum einen aus flüssigen Komponenten, z.B. Substanzen, die die Aktivität von Parasiten, Bakterien oder Viren hemmen. zum anderen aus natürlichen Killerzellen (NK Zellen) und Granulozyten, die Eindringlinge abtöten, und den sogenannten  großen Fresszellen (Makrophagen), die die abgetöteten Infektionserreger schließlich auffressen und so eliminieren. Das angeborene Immunsystem kann Infektionen zwar abwehren, hat allerdings nur eine geringe Spezifität, d.h. eine geringe Fähigkeit zur Unterscheidung von verschiedenen Infektionserregern und „erinnert“ sich bei einem Zweitkontakt auch schlecht an die ursprüngliche Infektion. Das angeborenen Immunsystem bildet auch keine Antikörper, und seine Wirkung muss daher durch andere, technisch aufwändige Tests mit lebenden Zellen nachgewiesen werden.

Wenn das angeborene Immunsystem alleine mit den Infektionserregern nicht fertig wird, ruft es das potentere adaptive Immunsystem zu Hilfe. Dieser Hilferuf wird durch bestimmte Zytokine an das adaptive Immunsystem weitergeleitet, was aber nicht heißt, dass das angeborene Immunsystem seine eigenen Aktivitäten jetzt einstellt: beide Teile des Immunsystem arbeiten koordiniert und kooperativ weiter an der Bekämpfung der Eindringlinge. Die Zellen des angeborenen Immunsystems, insbesondere Granulozyten und Makrophagen, werden v.a. durch die Zytokine Interleukin – 1beta (IL-1beta) und IL– 6 vermehrt rekrutiert und aktiviert. Diese Zellen sind nun besonders „scharf“ und zerstören die infizierten Zellen in ihrer Umgebung, z.B. der Lunge, mit deletären Folgen für die Atmung. IL – 6 und IL – 1beta sind aber auch Signale für die gleichzeitige Aktivierung des adaptiven Immunsystem. Das angeborene Immunsystem versucht zusätzlich durch die Abgabe von direkt Virus – hemmenden Zytokinen (Interferonen), Infektionen einzudämmen.

2.2. Das adaptive Immunsystem

Auch das adaptive Immunsystem hat zwei Arme: den flüssigen (humoralen) und den zellulären Arm. Es hat zwei essentielle Aufgaben: den Erhalt der Integrität und den Erhalt der Identität des Organismus‘.

Die Integrität eines Lebewesens wird beispielsweise durch Infektionserreger, wie Parasiten, Bakterien oder Viren gestört. Die genetisch determinierte Identität wird bedroht, wenn der Mensch Eingriffe in den Körper vornimmt, die von der Evolution nicht „vorgesehen“ waren, wie Bluttransfusionen oder Organtransplantationen. Fremdstoffe (meist Proteine), die vom adaptiven Immunsystem erkannt werden können, werden als Antigene bezeichnet, weil sie ein Immunantwort generieren können.

Damit es seine zwei Aufgaben erfüllen kann, hat das adaptive Immunsystem drei Eigenschaften:

  • es kann körpereigenes von körperfremdem Material („Selbst“ von „Nicht – Selbst“) unterscheiden und greift den eigenen Körper daher normalerweise nicht an (pathologische Ausnahme: Autoimmunerkrankungen);
  • es reagiert spezifisch (eine Impfung gegen Röteln schützt gegen Röteln, aber nicht gegen Masern;
  • es hat Erinnerungsvermögen (Engl. Memory), d.h., es ist auf eine zukünftige Konfrontation mit demselben Antigen wie beim Erstkontakt vorbereitet und reagiert dann schneller und effektiver als beim ersten Mal.

(a) Der humorale Arm

Die humorale adaptive Immunität ist durch die Produktion von Proteinen (Immunglobulinen = Ig = Antikörper) charakterisiert, die einige Tage nach einer Infektion im Blutserum nachgewiesen werden können. Antikörper werden ebenfalls von einer bestimmten Art weisser Blutkörperchen, sog. B-Lymphozyten, in den oben erwähnten lymphoiden Organen produziert und gelangen von dort mit dem Blutstrom an jene Stellen des Körpers, wo sie gebraucht werden, z.B. in die durch Viren infizierte Lunge. Die B-Zellen verdanken ihren Namen, der Tatsache, dass sie sich ursprünglich im Knochenmark (Engl. Bone-marrow) entwickeln.

Man unterscheidet fünf Klassen von Antikörpern, die als IgM, IgD, IgG, IgA und IgE bezeichnet werden. In Frühstadium einer Infektion werden zuerst Antikörper der Klasse IgM produziert (deren Konzentration bald wieder abnimmt), gefolgt von IgA und IgG (die länger andauernden Schutz gewähren). IgD und IgE haben andere Aufgaben.

Bei einer schwangeren Frau zeigt z.B das Auftreten von IgM Antikörpern gegen Röteln an, dass sie gerade mit diesen Viren infiziert wurde, und der Embryo im ersten Drittel der Schwangerschaft daher gefährdet ist. Der Nachweis von IgG Antikörpern weist andererseits darauf hin, dass die werdende Mutter entweder bereits gegen Röteln geimpft ist oder die Krankheit selbst durchgemacht hat – ihr Immunsystem sich also an die Erstinfektion erinnert – und deshalb nicht nur sie selbst, sondern auch ihr Kind geschützt ist.

Von IgA gibt es auch noch eine sog. sekretorische Variante, die aus zwei miteinander verbundenen IgA Molekülen besteht (sekretorisches IgA – sIgA), die direkt in unseren Schleimhäuten (z.B.  in der Lunge, im Verdauungstrakt, der Vagina, der Bindehaut der Augen, etc.) produziert und in die entsprechenden Sekrete, wie den Speichel, abgegeben werden. sIgA bildet an der Oberfläche der Schleimhäute einen ersten Abwehrwall gegen Infektionen. Die Konzentration des IgA in Serum korreliert übrigens relativ gut mit jener des sekretorischen IgA! Da die Erreger von COVID-19 bekanntlich v.a. über die Schleimhäute in den Organismus eintreten, hat die Bestimmung von Antikörpern der Klasse IgA – neben jener von IgM und IgG – in diesem Fall besondere Bedeutung. Die im Blut kreisenden Antikörper binden an die Oberfläche der eingedrungenen Infektionserreger und töten diese unter Mitwirkung eines Verstärkersystems aus dem angeborenen Immunsystem, dem sog. Komplement, ab. Mit Antikörpern überzogene Bakterien und Viren, sind für die Fresszellen des angeborenen Immunsystems viel besser „fressbar“ als „nackte“ Erreger. Das ist also ein weiteres Beispiel für die Kooperation zwischen angeborenem und adaptivem Immunsystem.

(b) Der zelluläre Arm

Der zelluläre Teil des adaptiven Immunsystems ist sehr komplex aufgebaut. Die Zellen, die Infektionserreger abwehren, werden als T-Lymphozyten bezeichnet, weil sie ihre „Ausbildung“ während der Embryonalperiode und in der Jugend in einem besonderen lymphoiden Organ, der Briesdrüse (Gr. Thymus), erhalten. Der Thymus ist beim Menschen hinter dem Brustbein vor dem Herzen lokalisiert. Von den T-Lymphozyten gibt es zahlreiche Unterarten, die in einem komplizieren Netzwerk miteinander in Verbindung stehen.

In Bezug auf Covid -19 sind drei Arten von T-Zellen besonders wichtig:

  • T-Zellen, die Virus-infizierte Zellen, z.B. in der Lunge, erkennen, angreifen und abtöten, so dass sich dort keine Viren mehr vermehren, ausschwärmen und andere Zielzellen infizieren können. Diese Zellen heißen daher zellabtötende (zytotoxische) T-Zellen (Tc-Zellen) oder T – Killerzellen
  • T-Zellen, die den B-Zellen helfen, Antikörper zu bilden, und deshalb als Helfer T-Zellen (TH) bezeichnet werden.
  • T-Zellen, die dafür sorgen, dass Tc – und TH Zellen nicht überreagieren und daher als regulatorische T-Zellen (Treg) bezeichnet werden.

T-Zellen kreisen ebenfalls im Blut, brauchen aber länger als Antikörper, um von ihrer „Heimat“ (den Lymphknoten, der Milz, etc.) an ihr Ziel zu gelangen und können daher auch erst später an ihren Wirkungsstellen oder im Blut nachgewiesen werden.

Sowohl B – Zellen als auch T – Zellen können eingedrungenes Fremdmaterial nicht in seinem ursprünglichen Zustand, z.B. als gesamtes Viruspartikel, erkennen und darauf reagieren. Damit eine Immunantwort generiert werden kann, muss antigenes Material zuerst aufgearbeitet (prozessiert) d.h., enzymatisch in kurze Bruchstücke (Peptide) gespalten, und dann den Zellen des adaptiven Immunsystems in geeigneter Weise angeboten (präsentiert) werden. Diese wichtige Aufgabe erfüllen sogenannte Antigen- prozessierende / präsentierende Zellen (APC). Die wichtigsten und effizientesten APCs sind die dendritischen Zellen.

( Abbildung 2, Allergo Journal, September 2008, T. Jakob & E. Hamelmann)

Die verschiedenen zellulären Komponenten des angeborenen und adaptiven Immunsystems kommunizieren miteinander über spezifische, antennenähnliche Erkennungsmerkmale an ihren Oberflächen und über die bereits beschriebenen Zytokine. Die Zytokine werden nach ihren funktionellen Charakteristika in mehrere Gruppen eingeteilt. Die wichtigsten Gruppen sind die proinflammatorischen, die antiinflammatorischen, die immunregulatorischen und die zellanlockenden (chemotaktischen) Zytokine. Die klinischen Symptome von COVID-19 im Rahmen des oben erwähnten Zytokin – Sturms sind v.a. durch die proinflammatorischen Zytokine Interleukin – 6 (IL – 6), IL -8 und Tumornekrose – Faktor Alfa (TNF Alfa) bedingt.