Das SARS-CoV2 Virus gehört zur Gruppe der behüllten RNA Viren, und zwar zu den single RNA Strand β-Coronaviren. Coronaviren verdanken ihren Namen den an ihrer Oberfläche befindenden Stachel (=Spike) – artigen Strukturen, die an ihrer Spitze die sogenannten Spike (= S) -Proteine tragen. Mittels dieser S-Proteine docken die Viren an einen enzymatischen Rezeptor (ACE2) an der Oberfläche von Zielzellen (z.B. in der Lunge, der Niere, den Riechnerven, etc.) an. Das S-Gen umfasst 13% des gesamten Virusgenoms.  Die Bindungsstelle selbst ist innerhalb des sogenannten Rezeptor-Bindungsdomäne (RBD) lokalisiert. Die RBD fungiert als Core-Domäne für das eigentliche spezifische Rezeptor-Bindungsmotiv (RBM), das die Aminosäuresequenz 438-506 umfasst (s. Tab.. 1).

Die RBD-Sequenz ist jener Abschnitt des S-Proteins, für die die mRNA in den gerade auf den Markt gekommenen RNA-basierten Covid-19 Impfstoffen codiert.

Das SARS-CoV2 Virus hat eine erheblich ausgeprägte Mutationsrate und versucht so, der Erkennung durch das menschliche oder tierische (bei Zwischenwirten) Immunsystem zu umgehen.

Wenn solche Mutationen in der RBD bzw. dem RBM auftreten, kann sich das Bindungsverhalten (die Affinität) zum ACE2 Rezeptor signifikant ändern und damit auch die Infektiosität beeinflussen. Im Prinzip unterscheidet man Mutationen, die die Bindungsaffinität vermindern („loss of function“) und solche, die die Affinität steigern („gain of function“). Im vorliegenden Fall werden sich „gain of function“ Mutationen durchsetzen, weil das Virus auf diese Weise bessere Vermehrungschancen erwirbt.

Eine neue, zuerst in England beobachtete Variante des SARS-CoV2 Virus ist durch multiple Mutationen charakterisiert, unter denen eine an der Position 501 direkt im Bereich der RBM lokalisiert ist (Abb. 1).

Die neue Variante wird als SARS-CoV2 VUI 202012/01 bezeichnet (Variant Under Investigation, Year 2020, Month 12, Variant 01).

Diese Mutation hat sich in London und Südengland rasch ausgebreitet, da sie anscheinend um ca 70% infektiöser als die letzte weltweit am häufigsten beobachtete Variante (D614G).

Durch Reisetätigkeiten von Patienten – insbesondere solchen, die nach Bekanntwerden des Auftretens von SARS-CoV2 VUI Grossbritannien (v.a. London) fluchtartig verlassen haben, hat sich die neue Variante bereits in verschiedenen Teilen der Welt (z.B. Südafrika, aber auch am Europäischen Kontinent) festgesetzt.

Es besteht nun – unserer Meinung zu Recht – der Verdacht (merke: Virus still under investigation!), dass sie bisher verfügbaren, schon in grossen Mengen hergestellten Impfstoffe, gegen die Infektion mit diesem mutierten Virus weniger wirksam sind, als gegen die bisher grassierenden Varianten. Dieser Verdacht wird durch folgende Daten unterstützt:

  • Es scheint, dass die Gabe von Rekonvaleszenten-Plasma mit Antikörpern die die bisherigen Varianten des Virus neutralisieren konnten, bei Infektionen mit der neuen Variante weniger wirksam sind.
  • Das gleiche gilt für die „Cocktails“ aus monoklonalen Antikörpern, deren neutralisierende Wirkung gegen die neue Variante sowohl in vitro (Virus-infizierte Zellen in Kultur) als auch  in vivo (Tierversuche) ebenfalls abgeschwächt sind.

Dazu noch zwei Bemerkungen:

  • Ein Vorteil von RNA – Impfstoffen gegenüber anderen, konventionellen Vakzinen besteht darin, dass diese bei Auftreten neuer Varianten des Infektionserregers rasch modifizier werden können.
  • Ausserdem ist es wichtig, sich den Aufbau der bisher zugelassenen Covid-19 RNA Impfstoffe zu vergegenwärtigen (inklusive der galenischen „Verpackung“ in Lipid – Nanopartikel): die beiden Firmen, welche die Impfstoffe entwickelt haben, verwendeten separate molekularbiologische Verfahren, um zu gewährleiten, dass die schlussendlich im Körper der geimpften Personen produzierten antigenen Proteine die native, im S – Protein vorgegebene  Struktur beibehalten. Die von B – Zellen produzierten Antikörper reagieren bekanntlich gegen konformationelle Epitope, und dafür ist die Erhaltung der konformationellen Struktur des jeweiligen Antigens essentiell. Diese wird aber im Fall der neuen Variante des Virus anders beschaffen sein als in der dem Impfstoff zugrunde liegenden ursprünglichen Variante: Daher ist zu erwarten, dass die durch die derzeit verfügbaren Impfstoffe erzeugte humorale Immunität gegen die neue Variante wahrscheinlich schwächer ausfallen und daher auch weniger Schutz gewähren wird. T-Zellen erkennen hingegen lineare Epitope, und diesbezüglich wird eine Konformationsänderung des Antigens nur einen geringen – wenn überhaupt nachweisbaren – Effekt haben, d.h. die wichtige zelluläre Immunreaktion sollte intakt bleiben.

Wir werden Sie über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich SARS-CoV2 VUI 202012/01 auf dem Laufenden halten.

Tab. 1:

Abb.1: